Taizé - Ort der Begegnung
Ein Bericht von zwei Jugendlichen aus Chemnitz von der ökumenischen Taizé-Fahrt 2011
Lichterfeier mit den Brüdern von Taizé am Samstag Abend
Das kleine Dorf Taizé in Burgund ist Ziel Tausender jugendlicher Pilger: Hier erleben sie ihren Glauben, Liturgie, Gemeinschaft über Länder-, Sprach- und Konfessionsgrenzen hinweg. Insgesamt 48 katholische, evangelische und konfessionslose Jugendliche aus Chemnitz und Umgebung waren vom 30.7. bis 7.8. in Taizé - begleitet vom kath. Dekanatsjugendreferent Johannes Köst und dem evang. Jugendwart Uli Kahle. Johanna Petermann (16) und Anna-Maria Böhm (19), beide aus Chemnitz, waren mit dabei und berichten:
Wir stehen am Eingang der gefüllten Kirche. Mehrere tausende Jugendliche sitzen auf dem Boden, sie singen und halten brennende Kerzen in den Händen. Ein blonder Pole neben uns zündet zwei weitere Kerzen an und reicht sie lächelnd an uns weiter. Als das vielstimmige „Jubilate Deo“ uns erfasst, setzen wir uns zu ihm - staunend und überwältigt. Die von der langen Busfahrt müde gewordenen Glieder sind vergessen.
Für den Einen ist es der erste Aufenthalt in Taizé, für den Anderen die lang ersehnte Rückkehr an einen Ort geistiger Heimat. Denn Taizé fasziniert immer wieder aufs Neue.
Es fällt schwer, dies alles in Worte zu fassen.
Auf den ausgeteilten Handzetteln lesen wir einen Auszug aus dem Evangelium, in dem Jesus das Himmelreich mit einem Senfkorn vergleicht, welches zu einem großen Baum heranwächst. Dieses Bild passt auch auf Taizé:
Als Roger Schütz während des zweiten Weltkrieges in den kleinen Ort in Burgund kam, um verfolgten Juden ein Versteck zu ermöglichen, ahnte noch niemand, welche Bedeutung Taizé in den folgenden Jahren erlangen würde. Heute ist es ein Ort internationaler Begegnung sowie der Begegnung mit Gott. Gerade in den Sommermonaten reisen wöchentlich rund 5000 Jugendliche aus ganz Europa und anderen Kontinenten an, um eine Woche in Gemeinschaft zu verbringen. Über Ostern verdoppelt sich diese Zahl sogar. Gastgeber der internationalen Treffen ist die von Frère Roger gegründete Gemeinschaft (Communauté) von Taizé. Derzeit leben dort rund 100 Brüder verschiedenster Nationalitäten in ordensähnlichen Verhältnissen. Sie arbeiten für ihren Lebensunterhalt und nehmen keine Spenden an. Erbschaften und Schenkungen nutzen sie, um Anreise und Aufenthalt Jugendlicher aus wirtschaftlich schwachen Ländern finanziell zu unterstützen. Beeindruckend ist der ökumenische Charakter sowohl der Gemeinschaft als auch der gesamten Treffen. So ist auch unsere Gruppe aus Chemnitz und Umgebung konfessionell gemischt und gibt auch Nichtchristen die Möglichkeit, diesen Ort zu erleben. Ein Teil der Gruppe fährt zum ersten Mal mit, doch viele wiederholen die Reise nach Taizé. Die Gründe sind oft ähnlich. „I feel like home here!“ hören wir während der Woche von vielen Seiten. Denn in Taizé darf jeder sein, wie er ist, und bekommt die Chance, aus den oftmals festgelegten Rollen des Alltags herauszutreten. Wer sich darauf einlässt, beginnt nach einiger Zeit über sich selbst und andere nachzudenken, Erlebtes zu reflektieren, Entscheidungen zu hinterfragen und seine Umwelt neu wahrzunehmen.
Aufmerksame Zuhörerinnen und Zuhörer bei der Einführung in einen Bibeltext...
Raum und Zeit zum Nachdenken werden reichlich geboten. Dabei sind Gespräche mit den Brüdern, die dreimal am Tag stattfindenden Gebete oder die thematischen Einheiten nur einige Möglichkeiten, sich selber näher zu kommen. Wer nach Taizé kommt, ist auf der Suche nach Gott, sich selbst, einer Aufgabe, einem Weg, Bekanntschaften oder Erfahrungen mit Menschen verschiedener Nationalitäten. Für die Kommunikation benötigt man ein paar Englischkenntnisse und vor allem Hände und Füße.
Beim Essen
Das einfache Leben und der Anklang von „ora et labora“ unterstützen das intensive Miteinander. Durch freiwilliges Engagement in der Küche, bei Reinigungstätigkeiten oder auch im Empfangskomitee, trägt jeder einen Teil zum gemeinsamen Wohl bei.
Gemeinsam macht sogar das Abwaschen von mehreren tausend Tellern Spaß!
Um aber wirklich zu erahnen, was diesen Ort so besonders macht, muss man Taizé erleben. Wer aus unserer Gruppe noch nie zuvor dort gewesen war, konnte sich anhand von Bildern und Erzählungen nur ein unzureichendes Bild machen. Die ansteckende Lebensfreude, Offenheit und Toleranz untereinander sowie das ehrliche Interesse für den Anderen verbinden über Kultur- und Sprachgrenzen hinweg. Kultur und Musik sind ebenfalls ein wichtiger Teil Taizé's, der auch ohne viele Worte auskommt. So ist der abendliche Treffpunkt „Oyak“ mit Jongleuren, spontan entstandenen Bands, spielenden und tanzenden Gruppen der Ausgleich zum kirchlichen Leben und zeigt, wie viele Gesichter Taizé hat.
Es ist Sonntagmorgen und wir sitzen alle übermüdet im Gottesdienst. Noch einmal hüllen uns die meditativen Gesänge ein. Eine der Fürbitten wird in Chinesisch vorgelesen. Die Taschen sind gefüllt mit von Kontaktdaten überfüllten Zetteln. Daneben ein unsichtbarer Koffer voller Erinnerungen. In den Ohren ein „Alleluja“, im Herzen schon jetzt eine Brise Sehnsucht: Taizé hat Spuren hinterlassen und der Abschied fällt vielen schwer. Es bleibt einzig die Einsicht: Taizé ist mehr als nur ein Ort. Taizé ist ein Gefühl.