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Bistum Dresden Meissen

Alojs Andritzki

Lebenslauf

Alojs Andritzki wurde am 2. Juli 1914 in Radibor geboren. Er hatte drei Brüder und zwei Schwestern. Die Söhne studierten alle Theologie, drei wurden Priester, darunter Alojs.

logo portaitNach dem Abitur an der Domstiftlichen Katholischen Oberschule in Bautzen studierte er von 1934 bis 1937 Theologie und Philosophie in Paderborn. 1936 wurde er Redakteur der sorbischen Studentenzeitung "Serbski student" und Sprecher der sorbischen Studenten. Von 1938 bis 1939 war er Alumnus des Priesterseminars in Schmochtitz bei Bautzen.

Am 30. Juli 1939 im Bautzener St. Petri-Dom zum Priester geweiht, wurde Alojs Andritzki Jugendseelsorger und Kaplan an der Hofkirche in Dresden und zugleich Präses der Dresdner Kapellknaben und der Dresdner Kolpingfamilie. Die Jugendlichen bewunderten ihn wegen seiner Geradlinigkeit und Sportlichkeit. Seine Verachtung des nationalsozialistischen Regimes verhehlte Andritzki nicht, was ihn ins Visier des Staatsapparates brachte. Nach einer Theateraufführung verhörten ihn Gestapo-Leute. Zu den Jugendlichen sagte er danach: „Das war erst der Anfang.“ Am 21. Januar 1941 wurde er verhaftet – die Anklageschrift nennt „heimtückische Angriffe auf Staat und Partei“ als Begründung. Im Oktober 1941 wurde Andritzki ins Konzentrationslager Dachau gebracht.

Während des Transportes lernte er den Benediktinerpater Maurus Münch aus Trier kennen. In den ersten Tagen im KZ gelobten beide, niemals zu klagen, niemals ihre Ehre als Akademiker mit Füßen zu treten und keinen Augenblick ihre priesterliche Berufung zu vergessen. Ein gutes Jahr waren beide zusammen im KZ. Mit anderen Priestern bildeten sie einen Studienkreis, in dem an drei Abenden in der Woche aus der Heiligen Schrift gelesen wurde. Aus diesem Bibelkreis entstand ein Liturgiekreis.

In Dachau erkrankte Andritzki an Typhus. Als er im Sterben lag, bat er um die heilige Kommunion. Der Wärter aber erwiderte nur: "Christus will er, eine Spritze bekommt er." - Am 3. Februar 1943 wurde Alojs Andritzki durch eine Giftspritze ermordet. Die Beisetzung der Urne erfolgte am 15. April 1943 in Dresden auf dem Alten katholischen Friedhof in der Friedrichstraße.

Am 2. Juli 1998 eröffnete Bischof Joachim Reinelt das Seligsprechungsverfahren für Alojs Andritzki. Im Dezember 2003 übergab der Bischof die „positio super martyrium“, in der die Zeugenaussagen über Andritzki gesammelt und die Aussagen über sein Martyrium analysiert sind, an Papst Johannes Paul II. in Rom.

Bischof Reinelt sagte damals: "Es ist uns ein Herzensanliegen, Alojs Andritzki als Märtyrer unseres Bistums verehren zu dürfen."

Die Gläubigen beteten um die Seligsprechung Alojs Andritzkis:

Heiliger Gott!
Du hast Alojs Andritzki
als Deinen Priester berufen,
damit er Deinem Volk
das Brot des Lebens bricht
und durch die Spendung der Sakramente
Deine Gnade vermittelt.
In seiner Begeisterung für Dich
war er vielen ein wahrer Seelenführer.
Unerschrocken bekannte er Christus
als den Erlöser der Welt.
Auf dem Weg zu Dir verzagte er nicht.
Wir hoffen zuversichtlich,
dass er bei Dir in Deiner Herrlichkeit ist,
und bitten Dich:
Verherrliche ihn auch in Deiner Kirche.

Heilige Maria, Mutter Gottes,
bei Dir hat Alojs oft Zuflucht gesucht.
Hilf durch Deine mächtige Fürsprache,
dass er als Beispiel eines demütigen und entschiedenen
christlichen Lebens zur Ehre der Altäre
gelange.

Am Pfingstmontag, 13. Juni 2011, war es dann soweit: Vor der Dresdner Kathedrale fand die feierliche Seligsprechung Alojs Andritzkis statt.

Das Apostolische Schreiben zur Seligsprechung

im Wortlaut Latein - Deutsch - Sorbisch

 

LITTERAE APOSTOLICAE

 

Nos,

vota Fratris Nostri

Ioachimi Friderici Reinelt,

Episcopi Dresdensis-Misnensis,

necnon plurimorum aliorum Fratrum in Episcopatu

multorumque christifidelium explentes,

de Congregationis de Causis Sanctorum consulto,

auctoritate Nostra Apostolica

facultatem facimus ut

Venerabilis Servus Dei

Aloisius Andritzki, presbyter et martyr,

pastor secundum cor Domini Iesu,

intrepidus praeco Regni Dei, quod regnum est veritatis et vitae,

sanctitatis et gratiae, iustitiae, amoris et pacis,

Beati nomine in posterum appelletur,

eiusque festum

die tertia Februarii,

qua in caelum est natus,

in locis et modis iure statutis

quotannis celebrari possit.

In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti.

Amen.

Datum Romae, apud Sanctum Petrum,

die quinto mensis Iunii,

anno Domini bismillesimo undecimo,

Pontificatus Nostri septimo.

Benedikt PP XVI

 

 

 

Wir

erklären kraft Unserer Apostolischen Autorität

und der Uns verliehenen Vollmacht,

dem Wunsch Unseres Bruders

Joachim Friedrich Reinelt,

Bischof des Bistums Dresden-Meissen,

so wie mehrerer anderer Mitbrüder im Bischofsamt

und vieler Christgläubiger

und dem Rat der Kongregation für die Heiligsprechungen entsprechend,

dass der Ehrwürdige Diener Gottes

Alojs Andritzki, Priester und Märtyrer,

ein Hirte nach dem Herzen des Herrn Jesus,

unerschrocken in der Verkündigung des Reiches Gottes,
das ein Reich der Wahrheit und des Lebens, der Heiligkeit und Gnade, der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens ist,

als Seliger bezeichnet wird,

und sein Fest

am 3. Februar,

an dem er für den Himmel geboren wurde,

an den Orten und in der vom Recht festgelegten Weise

jährlich gefeiert werden kann.

Im Namen des Vaters und des Sohnes

und des Heiligen Geistes. Amen.

Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am 5. Juni,

im Jahr des Herrn 2011,

im 7. Jahre Unseres Pontifikates.

 

Benedikt PP XVI

 

 

Wozjewjamy

po Swojej Japoštołskej awtoriće

a Nam spožčenej połnomocy,

přeću Našeho bratra

Joachima Friedricha Reinelta,

Drježdźansko-Mišnjanskeho biskopa,

kaž tež mnohich druhich sobubratrow w biskopskim zastojnstwje

a mnohich do Chrystusa wěrjacych

a radźe swjatoprajenskeje kongregacije wotpowědujo,

zo so česćedostojny słužownik Boži

Alojs Andricki, měšnik a martrar,

pastyr po wutrobje našeho Knjeza Jězusa,

njebojazny we wozjewjenju Božeho kralestwa,

kotrež je kralestwo wěrnosće a žiwjenja, swjatosće a miłosće, sprawnosće, lubosće a pokoja,

jako zbóžny deklaruje,

a jeho swjedźeń so

3. februara,

na kotrymž je so za njebjesa narodźił,

na městnach a wotpowědnje prawnisce postajenemu wašnju

lětnje swjećić smě.

W mjenje Wótca a Syna

a Ducha Swjateho. Amen.

Date w Romje, pola swjateho Pětra, 5. junija,

w lěće Knjezowym 2011,

w 7. lěće Našeho pontifikata.

 

Benedikt PP XVI

Predigt von Bischof Reinelt zur Seligsprechung Alojs Andritzkis

Bischof Joachim Reinelt am 13. Juni 2011 in Dresden

„Dies ist der Tag, den Gott gemacht hat“. Nur einmal in der über 1000-jährigen Glaubensgeschichte unseres Landes wurde vor 500 Jahren unser Diözesanpatron Bischof Benno zur Ehre der Altäre erhoben. Zum ersten Mal aber dürfen wir das heiligende Wirken Gottes in einem Märtyrer feiern, der in diesem Land geboren und zu einem Leben in Gott aufgestiegen ist, wie es nur durch den Heiligen Geist gewirkt sein kann.

Zu allen Zeiten der Geschichte unserer Kirche waren die Märtyrer Signale des Neubeginns. Der selige Alojs Andritzki wollte in heiliger Begeisterung Sämann des Wortes Gottes sein für die ganze Welt und für eine erneuerte Kirche. Aber er verstand im Polizeigefängnis von Dresden sehr bald, dass ihn Jesus Christus zum Samenkorn bestimmt hatte. Die Kirche der Märtyrer ist immer eine Kirche der Aussaat. Nach dem Winter der menschenverachtenden Ideologien mit Millionen Opfern ist es heute an der Zeit, dass wir den eingebrachten Samen endlich kommen lassen. Das will Gott. Die Kirche der Märtyrer trägt immer Frucht, weil Blutzeugen des Glaubens nicht für eine Idee sterben, sondern für Christus, der als Erster Samenkorn für die ganz neue Ernte ist. Leben verlieren, um Leben zu gewinnen. Alojs beschrieb es so: „In den Staub gebeugt und doch voller Leben“. Das ist Größe, Größe Gottes in einem jungen Priester.

Die Hölle der KZs und der Gulags hatte einen teuflischen Hintergrund. Die Mächtigen glaubten nicht, dass sie sich für ihre Grausamkeiten vor Gott zu verantworten haben. Sie hassten die Kirche. Nach der Parole Rosenbergs, „die christlich-jüdische Pest wird zugrunde gehen“, ermordeten die Nazi 4000 katholische Priester. Besonders das KZ Dachau war für 2700 katholische Priester ein für uns unvorstellbarer Ort der Quälereien, der brutalen Erniedrigung und der Rechtlosigkeit. Über 1034 dieser Priester kamen dort ums Leben. Wie konnte Alojs mit seinen 28 Jahren diese härteste Zeit seines Lebens so gefasst und vorbildlich bewältigen, dass einer seiner Mitbrüder ihn als den Besten im Priesterblock bezeichnete? Woher hatte er die Kraft, noch bei der schlimmsten Drecksarbeit ein helles Gesicht zu zeigen? Dort, wo der Mensch instinktiv zuerst ans Überleben denkt, hat er versucht, andere froh zu machen und zu trösten. Woher kam ihm die Kraft? In einem seiner beeindruckenden Briefe erschließt sich uns die Quelle, aus der er schöpfte: „Wenn der Herr scheinbar sein Antlitz von uns gewendet hat und wir gleichsam zu Boden gedrückt sind, lassen wir uns nicht beirren in der Liebe unseres himmlischen Vaters.“ Unbeirrt an die Liebe des himmlischen Vaters in dieser Situation glauben, das befähigt zum Martyrium. Allein so kann man in der Hölle siegen. Die menschlichen Kräfte allein wären völlig überfordert.

Die Liebe Gottes hört nie auf, auch nicht im KZ. Wer das glaubt, bleibt stark. Stark bis in den Tod. Es ist der SS nicht gelungen diesen jungen Sorben klein zu kriegen. Im Gegenteil ermutigte er schwer leidende Mitbrüder mit seiner sympathischen Freundlichkeit, Humor, Akrobatik und jugendlichen Frische. Er lebte, wie es schon Isaak, der Syrer, in Worte fasste: „Lass dich verfolgen, aber verfolge du nicht. Lass dich kreuzigen, aber kreuzige du nicht. Lass dich beschimpfen, aber beschimpfe du nicht“. Wahrlich bewundernswert. Der Hl. Geist hat ihm Talente und Gnadengaben geschenkt, für die wir den Vater aller Menschen preisen. Seligsprechung ist unser Deo gratias, Dank sei Gott. Im seligen Alojs zeigt uns Gott sein Antlitz, das Antlitz der Liebe. Dieser erste Sachse, der zur Ehre der Altäre erhoben wurde, lässt uns erkennen, welche Größe Christus den Menschen zugeordnet hat. Dieser erste Sorbe, der nun seliggesprochen ist, zeigt uns welche Glaubenskraft aus einer lebendigen Gemeinde und einer für Gottes Liebe bereiten Familie erwachsen kann. „Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt“(Phil 4,13). Märtyrer können eben nein sagen zu faulen Kompromissen und mit Leidenschaft ja sagen zu den Konsequenzen des Evangeliums. Wir brauchen heute diese Vorbilder, die über das Mittelmaß hinausreichen. Heilige sind nicht Typen mit frömmlerischem Gehabe.

Heilige sind Kämpfer. Sie haben, wie der hl. Paulus sagt, „den guten Kampf gekämpft,… die Treue gehalten“ (2 Tim 4,7). Glaube ist eben nicht Spaziergang, sondern Wettlauf. Der Wunsch nach einem gemütlichen Glauben und einer verbrauchergerechten Kirche widerspricht dem Wort Gottes. Nein, heilige Kämpfer müssen trainieren, mit Ausdauer. Und wer aufs Siegerpodest kommt, das bestimmt Gott allein und nicht der Applaus der Vielen.

Heilige sind Menschen der Freiheit. Sie sind befreit von der Sucht nach Macht und Reichtum. Sie sind gelöst von der ständigen Gier nach Akzeptanz. Diese Freiheit von sich selbst macht Platz für den Nächsten. Sie lachen mit den Lachenden und weinen mit den Weinenden. Die eigenen Probleme bekommen den letzten Platz. Dieses befreite Menschsein lässt eine Freude zu, die uns in Zukunft immer wieder an das besondere Charisma unseres jungen Märtyrers erinnern wird. „Die Freude an Gott ist unsere Stärke“ (vgl. Neh 8,10).

Heilige glühen für die Wahrheit. Es darf doch nicht genügen, dass in irgendeinem Satz so grade noch ein Fünkchen Wahrheit drin ist. Halbe Wahrheiten sind meist die gefährlicheren Lügen. Wahrheit duldet keine Abstriche. Zumal die grundlegenden Wahrheiten nicht von uns erfunden, sondern von Gott vorgegeben sind. Gegeben von dem Einzigen, der sagen darf: „Ich bin die Wahrheit“. Um der Wahrheit willen, die die Feinde der Kirche nicht ertrugen, kam der selige Alojs in Haft und schrieb von dort: „…mir ist Gelegenheit geboten, diesen Weg der Heiligkeit zu gehen. Ich will ihn gehen so froh und freudig, als es mir nur möglich ist, denn es gilt ja, mit Gott eins zu werden.“ So verwirklichte sich in ihm das Gebet Jesu: „Heilige sie in der Wahrheit“ (Joh 17,17).

Heilige sind demütig. Alojs wusste, dass Heiligkeit nicht seine eigene Leistung ist. Heiligkeit ist Geschenk, Gnade. Heilige sind auch deshalb demütig, weil sie ihre Sünden und Schwächen deutlicher erkennen als andere. Aber sie vertrauen auch der Zusage Gottes: „Der Tempel Gottes ist heilig, und der seid ihr“ (1Kor 3,17). Diese Zuversicht dürfen wir alle haben.

Heilige werden dringend benötigt. Sie können bewirken, dass unsere Gesellschaft nicht bedrängt vom Sinnlosigkeitsgefühl auseinander fällt. Wenn die einende Kraft der Märtyrer sogar im KZ den Zusammenhalt und die Freundschaft der Leidensgefährten ermöglicht hat, müsste dieser Dienst der Einheit durch Glauben doch erst recht in der freiheitlichen Gesellschaft gelingen. Die Welt von heute benötigt dringend Menschen mit Herz und Wärme. Kontaktstellen für Verbundenheit: Menschen, die andere wieder zusammen führen, Orte der tiefen, persönlichen Begegnung. Treffpunkte Gottes und der Menschen. Schwestern und Brüder, da sind wir dran, da haben wir Chancen.

Mir erscheint das Bild von Alojs wie eine Herausforderung: Nun fangt doch an, will er uns sagen. Es ist die Zeit, die Anker zu lichten und hinauszufahren ohne Furcht und auch gegen den Strom der Zeit. Diese Kathedrale erinnert uns an die Kirche als Schiff gegen den Strom. Wenn es schwer wird gegen die Strömung an zu kommen, können wir doch künftig damit rechnen, dass der selige Alojs rudern hilft. Wir dürfen ihn als Fürbitter vor das Boot Dresden-Meißen spannen. Er selbst zählte jedenfalls sehr auf die Fürbitter beim himmlischen Vater. Als sein Bruder im Krieg gefallen war und in Dachau sein Dresdner Mitbruder Diözesanjugendseelsorger Bernhard Wensch gestorben war, schrieb er voll Vertrauen: „Wie herrlich leben jetzt der liebe Bruder Alfons, wie freut sich jetzt Bernhard, der tapfer und schweigend ertragen hat – Vorbild für unsere Jugend - , dass er den guten Kampf durchkämpfte und jetzt schon die Krone der ewigen Herrlichkeit tragen darf. Alfons, Bernhard und all die anderen, die beim Herrn sind, sind unsere Helfer und Fürsprecher. Darum werden auch unsere Mütter allen Schmerz im Glauben an den Herrn überwinden“.

Alojs verstand sich offenbar eng verknüpft mit seinen Freunden im Himmel. So wollen auch wir es für immer halten. Leider können wir den 74 Heiligenfiguren von Lorenzo Mattielli auf dieser Kathedrale nicht eine von Alojs hinzufügen, aber wichtiger ist, ihn im Herzen mit nach Hause zu nehmen und ihn in unseren Gemeinden an zu rufen, (selbstverständlich nicht an- beten, denn Anbetung gebührt Gott allein).

Guter Gott, du hast uns mit dem seligen Alojs ein großes Geschenk gemacht. Wir preisen dich und danken dir. Amen.

„Du, wir wollen sehen, dass wir zusammenbleiben“

Predigt von Prälat Hermann Scheipers

Liebe Schwestern und Brüder,

KZ, jeder denkt sich das seine dabei. Die meisten haben die Vorstellung: die böse SS, die armen Gefangenen. Das ist falsch. Es gibt – das wissen die wenigsten – das teuflische System der Funktionshäftlinge und Capos auf den Arbeitsstellen.

Wir 3000 Priestergefangenen in Dachau standen praktisch zwischen zwei Fronten. Diese Funktionshäftlinge waren Mitgefangene. Das war für mich das große Erschrecken, dass diese Mitgefangenen, die uns hätten helfen müssen, zu unseren Feinden wurden. Das wir zwischen zwei Fronten uns bewegen mussten, die beide gefährlich waren, die SS und die Funktionshäftlinge und Capos.

Und der heutige Tag, an dem unser seliggesprochener Alojs Andritzki uns vor Augen steht, dieser heutige Tag ist wie ein Symbol für mich, ein Symbol für die Situation aller Gefangenen dort in Dachau.

Bei ihm war es besonders krass. Meistens haben die Funktionshäftlinge, die also selber zu Verbrechern wurden, um ihre Privilegien zu erhalten, meistens haben sie im Auftrag der SS gemordet oder schikaniert. Bei Alojs Andritzki aber ist der besondere Fall, dass der Obercapo des Krankenreviers, auf dem er lag, aus Hass gegen die Kirche oder gegen die Priester ihm von sich aus die Giftspritze gegeben hat. Denn Alojs hatte gebeten um einen Priester, weil es ihm sehr schlecht ging und er dachte, er muss sterben.

Im ganzen Lager war es strengstens verboten, irgendwelche religiösen Tätigkeiten. Natürlich auf unserem Priesterblock, das hatte vor allem Bischof Wienken durch seine Verhandlungen erreicht, da konnten wir uns religiös betätigen so viel wir wollten, aber nicht außerhalb.

Und dieser dumme Kerl, der kommunistische Stubenpfleger, meldet das dem Obercapo vom Krankenrevier. Und das war ein österreichischer Pfaffenfresser, wie wir sagten. „Was, a Pfaffen will er habe, a Spritzn kriegt er“, das war seine Reaktion. Und das war der Tod, der gewaltsame Tod von Alojs Andritzki.

Lieber Alojs, du bist mein Mitgefangener gewesen und mein Freund. Du bist es noch mehr geworden, als du umgebracht wurdest, denn - das werde ich nie vergessen - du sagtest zu mir kurz vor der Einlieferung ins Krankenrevier einen Satz, den ich nie vergessen werde. Du hast mir zugerufen: „Du, wir wollen sehen, dass wir zusammenbleiben“.

Es ging zwar nicht so in Erfüllung, wie es Alojs sich gewünscht hatte. Ich kam auf eine andere Krankenstube. Aber das, was er wollte, durch das Wirken des Hl. Geistes, der ja die Einheit der Menschen will, durch das Wirken des Hl. Geistes hast du dann mir weiter geholfen. Diese Gemeinschaft, die du dir gewünscht hast mit den Worten: „Du, wir wollen sehen, das wir zusammenbleiben“. Diese Worte sind ein Zeichen dafür, dass die Gemeinschaft geblieben ist. Und sie hat mir genutzt in allen weiteren Gefahren der KZ-Zeit, die ich noch durchmachen musste. Ganz besonders aber habe ich es gespürt bei meiner waghalsigen Flucht aus dem Todesmarsch, als das Lager evakuiert werden sollte. Da kann ich mich sehr gut erinnern. Da hat man zweimal auf mich geschossen und ich musste fliehen und mich verstecken in einem Gebüsch. Und in der Angst vor dem Spürhund, den sie auf mich losschicken wollten, habe ich damals den Psalm 91 gebetet, den Schluss vor allem. Das war mir ganz präsent. Das war ein Geschenk Gottes:

Seinen Engeln hat er befohlen um deinetwillen,dich zu behüten auf allen Wegen.Auf ihren Händen sollen sie dich tragen,auf dass dein Fuß nicht stoße an einen Stein.Über Nattern und Ottern wirst du schreiten,treten auf Löwen und DrachenWeil er mir anhängt, [heißt es weiter] will ich ihn erretten.Ich schütze ihn, weil er meinen Namen kennt,ruft er mich an, so will ich ihn erhören,ja, ich bin bei ihm in all seiner Not.Ich will ihn retten aus seiner Drangsal.

Und damit schließt dann der Psalm:

Ich will ihn sättigen mit langem Leben und ihm erweisen mein Heil.

Ich konnte damals nicht ahnen, dass dieses Wort, das mir präsent war in meinem Gebet, dass das auch für mein Erdenleben in Erfüllung geht.

Und so stehe ich heute vor euch als der letzte, buchstäblich der letzte aller Priesterhäftlinge von ganz Westeuropa. Es lebt niemand mehr, außer einigen Polen noch, die bereits mit 15 Jahren verhaftet worden sind. Und ich habe von Gott sozusagen den Auftrag, das alles, was ich erlebt habe, den Jugendlichen vor allem nahezubringen durch meine Vorträge.

„Du, wir wollen sehen, dass wir zusammenbleiben.“ Du, lieber Alojs, hast es gefügt, dass mein Erdenleben so lange dauern würde, dass ich im nächsten Monat schon meinen 98. Geburtstag feiere. Dass dies lange Erdenleben auch zum Zeugnis wird für viele, viele. Ich habe nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA und in Spanien und in Holland und in vielen anderen Ländern Vorträge gehalten und das dann den Menschen vermittelt: Seinen Engeln hat er befohlen um deinetwillen! Das gilt ja für uns alle.

„Du, wir wollen sehen, dass wir zusammenbleiben.“ Ich habe jetzt nur noch eine Bitte, lieber Alojs: dass du zur Vollendung bringst, was du damals gesprochen hast. „Wir wollen sehen, dass wir zusammenbleiben“ in alle Ewigkeit, Amen.