Bautzener bringen Hilfslieferung in die Ukraine und erleben Ostern in Lviv/Lemberg
Ein Bericht von Dr. Peter-Paul Straube aus Bautzen
Lviv/Lemberg (Ukraine). Am Nachmittag des ersten Sonntags im Mai, dem Ostersonntag der mit Rom unierten ukrainisch-katholischen Christen, komme ich zusammen mit Michael Vetter, dem Bautzener evangelischen Domkantor, nach 10-stündiger Fahrt gut im Zentrum von Lviv/Lemberg an. Mit einem kleinen Hilfstransport überbringen wir der Sozialstiftung „St. Wolodymyr Fonds“ der ukrainisch-katholischen Kirche vor allem Medikamente, die wir von den Geldern des Spendenprojekts des Ökumenischen Domladens Bautzen gekauft bzw. gespendet bekommen haben. Der Grenzübertritt ist auf der Hin- und Rückreise problemlos, die Grenze Polen - Ukraine ist im Vergleich zu früher leer. Der Geschäftsführer der Stiftung, Ihor Matushevskyy , erwartet uns an unserem Hotel – ihn und einige weitere ukrainische Freunde kennen wir schon seit mehr als zwei Jahrzehnten.
Am Ostersonntagabend in der Innenstadt von Lemberg: Männer spielen Schach, junge Leute musizieren, ein munteres Treiben überall. In Gesprächen wird schnell deutlich, wie belastet, traurig und bekümmert die Menschen sind – sie wollen kein Leben unter Putin, keine autokratische Diktatur! Trotz allem begrüßen sie sich mit Freude: „Christos woskress“, Christus ist auferstanden. Und sie wollen die Hoffnung nicht aufgeben, gerade zu Ostern, dass alles gut wird und Putins Armee sich wieder nach Russland zurückzieht.
Immer mehr Menschen von psychischen Problemen betroffen
Am Ostermontagmorgen nehmen wir an einer Messfeier mit dem ukrainisch-katholischen Bischof von Lemberg, Wolodymyr Hruza, in der St. Georgs-Kathedrale teil, in der ein verheirateter Diakon zum Priester geweiht wird. Der Bischof macht dem Neupriester Mut und bittet ihn, für die Menschen da zu sein, Hoffnung zu geben und Wunden zu heilen. Anschließend treffen wir ihn in der bischöflichen Cafeteria – er spricht von seinen Sorgen, vor allem von den vielen Opfern und den psychischen Problemen, die immer mehr Menschen in der Ukraine zu schaffen machen. Erst im Herbst letzten Jahres war Bischof Wolodymyr in Deutschland unterwegs, um für Unterstützung für ein Rehabilitationszentrum zu werben, das für Menschen, die an den Folgen des Krieges leiden, errichtet werden soll. „Inzwischen gibt es keinen sicheren Ort mehr in der Ukraine. Auch nicht im Westen, selbst wenn es dort etwas ruhiger ist. Man weiß nie, wann und wo die nächsten Raketen einschlagen“, so der Bischof. „Wir hoffen auf einen gerechten Frieden, wenn wir diesen Krieg gewonnen haben werden. Diese Hoffnung trägt uns.“
Sehr beeindruckend war der Besuch des Soldatenfriedhofs am großen Lemberger Friedhof – die Plätze für getötete Soldaten haben auf dem Friedhof selbst nicht mehr ausgereicht. Mehr als 700, überwiegend junge Soldaten sind hier beerdigt - insgesamt wurden bisher 7000 aus Lviv und dem Lemberger Gebiet von Putin und seinen Handlangern ermordet! Die Trauer und der Schmerz schreien zum Himmel. Angehörige beten vor den Gräbern – auch eine Gruppe einer Schwesterngemeinschaft. Das Friedhofsfeld ist zu einem Wallfahrtsort geworden.
Lagerräume der Stiftung in ehemaligem Gefängnis eingerichtet
Die Lagerräume der Stiftung St. Wolodymyr Fonds, die wir anschließend besichtigen, befinden sich in den Wirtschaftsgebäuden eines ehemaligen Gefängnisses für 2000 Gefangene – früher war hier der St. Wolodymyr Fonds in der Betreuung der Gefangenen aktiv. Ein Investor will daraus eine Hotelanlage machen – wenn der Krieg vorbei ist. Bis dahin hat er die Gebäude kostenlos der Stiftung überlassen, incl. Wachdienst rund um die Uhr. Von hier aus können die Mitarbeitenden der Stiftung Flüchtlingen und anderen Bedürftigen vor Ort helfen, auch mit Transporten in die Süd- und Ostukraine.
In einem Keller einer Kultureinrichtung besuchen wir dann eine private Drohnenwerkstatt. Es werden uns Drohnen und selbstkonstruierte Drohnenabwehrsysteme gezeigt. Russische Drohnen können damit fehlgeleitet werden – sie zerstören so nicht ihr Ziel. Mitunter werden sie wieder aufbereitet und zurückgeschickt…
Am Ostermontagabend gibt Michael Vetter ein fulminantes österliches Konzert in der ausverkauften Lemberger Orgelhalle, einer ehemaligen Kirche. Die Menschen sind begeistert von Johann Sebastian Bach - „Christ ist erstanden“ - oder Johann Ludwig Krebs - „Allein Gott in der Höh sei Ehr“. Der Beifall will kein Ende nehmen – wir sind dankbar, dass mit der Musik ein wenig Freude und Hoffnung vermittelt werden kann. Diese Stunden und Tage werden wir so schnell nicht vergessen und wollen wiederkommen – stand with ukraine!
Peter-Paul Straube, 16.05.2024
Hinweis: Der Ökumenische Domladen Bautzen sammelt weiter für den St. Wolodymyr Fonds und seine Aktivitäten Spenden. Die Kontonummer des Vereins ist auf www.domladen-bautzen zu finden.