Menü
Bistum Dresden Meissen
Das Grab Bischof Otto Spülbecks auf dem Nikolaifriedhof in Bautzen. © Freddy Stark
22. Juni 2020

Die Herde in schwieriger Zeit zusammengehalten

Erinnerung an den 50. Todestag von Bischof Otto Spülbeck in Bautzen

Bautzen. „Unum in veritate et laetitia – Eins in der Wahrheit und der Freude“ - so lautete der Wahlspruch, für den sich Otto Spülbeck entschied, als er 1955 im St. Petri-Dom in Bautzen zum Bischof des Bistums Meißen geweiht wurde. In einem Gedenkgottesdienst mit Bischof Heinrich Timmerevers, Domdekan Andreas Kutschke und Dompfarrer Veit Scapan wurde am Sonntag, 21. Juni, an gleicher Stelle an dessen 50. Todestag erinnert.

Dompfarrer Veit Scapan erinnerte in seiner Predigt daran, dass Bischof Otto die Menschen seiner Zeit gerne über das Thema "Glaube und Naturwissenschaft" anzusprechen versuchte. Dompfarrer Scapan: "So vermochte er im Religionsunterricht die Ohren und Herzen der Abiturienten in den Nachkriegsjahren in Leipzig mit der Frage zu erreichen: 'Wie weit seid ihr in Mathematik?'. Ich habe mir erzählen lassen, dass auf seinem Schreibtisch zwei Bücher lagen – die Bibel und Nietzsches Buch 'Also sprach Zarathustra'. Das hängt wohl mit seiner ideologischen Auseinandersetzung mit dem Marxismus der damaligen Zeit zusammen."

Naturwissenschaft und Glaube als zentrales Thema

Nach der Überzeugung Bischof Spülbecks hätten die Theologen eine Sprache für die christliche Verkündigung finden müssen, "die vom heutigen Menschen, auch vom Naturwissenschaftler, verstanden werden kann", so Dompfarrer Scapan. "Manch einer wird sein Buch 'Der Christ und das Weltbild der modernen Naturwissenschaft' aus dem Jahre 1957 – erschienen in sieben Auflagen - nicht nur im Bücherregal zur Zierde, sondern auch gelesen haben."

Geprägt hätte Bischof Spülbeck während seines Studiums auch die Jugendbewegung mit ihrem Anspruch auf eine Gottesbegegnung in zeitgemäßer Liturgie. Während des Zweiten Vatikanischen Konzils wirkte er als Mitglied der Kommission für die Erneuerung der Liturgie.

Dompfarrer Scapan: "Ich greife nicht zu weit, wenn ich behaupte, dass die Vigil der Osternacht, so wie wir sie heute kennen und feiern, aus seiner Feder stammt. Im Leipziger Oratorium wurde sie jedenfalls schon vor dem zweiten Weltkrieg in ähnlicher Form gefeiert."

Auch für seine sorbischen Diözesanen habe Bischof Otto immer ein offenes Ohr gehabt; in Verhandlungen in Rom habe er sich für die Anerkennung der sorbischen Sprache als Liturgiesprache eingesetzt; mit seiner Unterstützung seien katechetische und liturgische Bücher erschienen. Für die Herausgabe des Neuen Testamentes in sorbischer Sprache habe er das beste Papier besorgt, das zu DDR-Zeiten zu erhalten war. Die Dresdener Synode brachte er 1969 auf den Weg – deren Ende er aber nicht mehr erleben sollte. 

Dompfarrer Scapan: "Bischof Otto Spülbeck gilt als zielstrebiger Seelsorger, dem kein Weg zu weit, kein Gespräch als vertane Zeit und keine Gemeinde zu klein war. Von Zittau bis in die Thüringer Diaspora kannte er jede Kapelle und Kirche und jeden Seelsorger vor Ort. Selbst von den damaligen staatlichen Instanzen, wurde er respektiert und war ihnen ein geschätzter Gesprächspartner."

Bischof Spülbeck leitete zunächst als Apostolischer Administrator die Diözese ab 14. Dezember 1955 und übte das Bischofsamt vom 20. Juni 1958 bis zu seinem Tod am 21. Juni 1970 aus. Er starb auf der Heimreise von einer Frauenwallfahrt in Wechselburg im Pfarrhaus von Mittweida an einem Herzinfarkt.

Glauben und Leben in eins setzen

Auch der Rektor des Bischof-Benno-Hauses, Sebastian Kieslich, erinnerte im Anschluss an den Gedenkgottesdienst bei einer Andacht am Grab Bischof Ottos auf dem nahegelegenen Nikolaifriedhof an das Wirken des 46. Bischofs unseres Bistums. 1929 war Otto Spülbeck in das neuerrichtete Priesterseminar Schmochtitz eingetreten. Rektor Kieslich:

„'Eins in der Wahrheit und der Freude' bezog er nicht nur auf sein Hirtenamt, die Herde in schwieriger Zeit zusammenzuhalten und für die Einheit des Gottesvolkes einzustehen. Sein Wahlspruch gab auch sein Verständnis vom Verhältnis zwischen Wissen und Glauben wieder, die nicht im Widerspruch zueinanderstehen, sondern zusammengehören. Wissen ohne Glauben verkommt zum Absoluten und Unmenschlichen und entwickelt sich nicht weiter. Der Glaube wiederum muss sich, um nicht zu einer Sekte zu werden, mit dem heutigen Wissen auseinandersetzen, um die Welt zu verstehen und in ihr wirken zu können.

Vor 50 Jahren war diese Haltung alles andere als selbstverständlich. Eine Diasporakirche kann auch schnell dazu verleiten, sich zurückzuziehen, um sich selbst zu genügen und die Welt einfach machen zu lassen. Das war nichts für Otto Spülbeck, der zeitlebens die Auseinandersetzung mit den Naturwissenschaften verfolgte. Sein Verständnis von Kirche war, sich mit der Welt auseinanderzusetzen und die Frohe Botschaft in sie hinein zu tragen. Die letzte Schrift von Otto Spülbeck 'Grenzfragen zwischen Naturwissenschaft und Glaube' von 1970 liest sich für mich daher wie ein Vermächtnis an uns Christen heute im Bistum Dresden-Meißen, das nichts an Aktualität verloren hat:

'Weltoffenheit war dem Christen immer zu eigen wie auch Weltflucht. Die Umwertung der Werte, die das Christentum vollzog, gab Freiheit und Gebundenheit, erzeugte ausuferndes Forschen und Grübeln, wie auch ängstliches Beharren und unerlaubtes Festhalten. Es ist die Aufgabe jeder Generation, Glauben und Leben in eins zu setzen, und zwar als Mensch in ihrer Zeit. Für jede Zeitepoche gibt es neue Schwierigkeiten, Spannungen und Hemmungen. Aber immer aufs Neue muss der Horizont geöffnet und die Gegenwart ins gläubige Denken heimgeholt werden nach dem Wort des heiligen Paulus: Alles ist euer, ihr aber gehört Christus' (Kor. 3,21)."

Bildergalerie