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Bistum Dresden Meissen
Auf dem Dresdner Neumarkt vor der damaligen Ruine der Frauenkirche hielt Helmut Kohl im Dezember 1989 eine historische Rede. © Pixabay
19. Dezember 2024

Die wichtigste Rede seiner Kanzlerschaft

Akademiepodcast erinnert an Rede Kohls vor der Dresdner Frauenkirche am 19.12.1989

Dresden. Anlässlich des 35. Jahrestags der Rede von Bundeskanzler Helmut Kohl vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche am 19. Dezember 1989, einem Meilenstein auf dem Weg zur deutschen Wiedervereinigung, blicken im Podcast „Mit Herz und Haltung“, den die Katholische Akademie des Bistums Dresden-Meißen gemeinsam mit der Zeitschrift Herder Korrespondenz verantwortet, zwei Zeitzeugen und ein renommierter Historiker auf das historische Ereignis, die damalige außenpolitische Großwetterlage und die Stimmung unter den auf dem Neumarkt versammelten Dresdnerinnen und Sachsen zurück.

Prof. Dr. Horst Teltschik, damaliger Vizechef des Bundeskanzleramts und wichtiger außenpolitischer Berater Kohls, erinnert sich im Gespräch mit KNA-Redakteurin Dr. Karin Wollschläger nicht nur an Details der vorherigen Zusammenkunft Kohls mit DDR-Ministerpräsident Hans Modrow, sondern auch an die mit der recht kurzfristig geplanten Rede des späteren „Kanzlers der Einheit“ verbundenen Herausforderungen: „Es war eine der schwierigsten Reden, da wir nicht voraussehen konnten, wie werden die Bürger der DDR reagieren, was soll er [Kohl] in dieser Situation sagen, was soll er besser nicht sagen“. Es sei „eine Rede, die Freude bereiten, aber auch beruhigend wirken sollte“, gefordert gewesen, blickt der damalige Vertraute des Bundeskanzlers zurück.

Wie sensibel die damalige Situation und wie viel politisches Fingerspitzengefühl seitens des Bundeskanzlers nötig war, unterstreicht auch der Hildesheimer Historiker Prof. Dr. Michael Gehler, der unlängst die Tagebücher von Horst Teltschik aus den Jahren 1989/90 im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht herausgegeben hat: „Es war eine Rede mit Leidenschaft und Augenmaß. Hätte er [Kohl] diese Rede nicht gehalten – und die Leute wussten, er ist in Dresden und trifft sich mit Hans Modrow – hätte er die Leute alleine und ohne Orientierung gelassen“, bewertet dieser den Druck, unter dem Kohl stand.

Doch hätte der Bundeskanzler den „Drahtseilakt“, auf die Erwartungen der Ostdeutschen einzugehen und zugleich die Sorgen und Widerständen der europäischen Nachbarstaaten und Siegermächte des Zweiten Weltkriegs nicht aus dem Blick zu verlieren, in der Rückschau „bravourös“ gemeistert: „Er hat den Ostdeutschen Hoffnung, Mut und Zuversicht vermittelt und insofern war […] [die Rede] ein Beschleuniger einer Entwicklung für all diejenigen Menschen, […] die den Glauben an eine geeinte deutsche Nation noch nicht aufgegeben hatten“, resümiert der Experte für deutsche Zeitgeschichte.

Frank Richter, damals Kaplan an der Dresdner Kathedrale und zuletzt Abgeordneter des sächsischen Landtags, unterstreicht die Bedeutung von Kohls Auftritt, den er am Rande der Menge miterlebte, ebenfalls. Die damalige Rede sei „nicht nur eine Rede“, sondern vielmehr „ein kommunikatives Ereignis der besonderen Art“ gewesen: „Als er [Kohl] aus Dresden wieder wegfuhr, wusste er, jetzt kommt die deutsche Einheit, denn die Menschen haben dort in seiner Gegenwart diese deutsche Einheit regelrecht ausgerufen“. Zudem gibt Richter noch Einblick in eine historische Anekdote der besonderen Art: Am Nachmittag der Rede hätte der Protokoll-Chef des Bundeskanzleramts im Dresdner Dompfarramt angerufen und um einen Chor gebeten, der unmittelbar nach Ende der Rede „Nun danket alle Gott“ anstimmen sollte.

Womöglich habe damals im Umfeld Kohls die Sorge bestanden, ein spontanes Singen der bundesdeutschen Nationalhymne durch die Demonstranten hätte in der angespannten politischen Gesamtsituation ungeahnte Konsequenzen nach sich ziehen können. „Die Sorge war aber […] unbegründet“, so Richter, und am Ende hatte es des Einsatzes der bereitstehenden Sänger gar nicht bedurft.

Die gesamte Episode des Podcasts „Mit Herz und Haltung“ rund um die Rede Kohls in Dresden ist ab sofort unter www.lebendig-akademisch.de/podcast und in allen gängigen Podcast-Playern wie Spotify, YouTube oder Apple Podcasts abrufbar.