Ein Blick zurück und nach vorne
20 Jahre Ökumenisches Seelsorgezentrum in der Uniklinik Dresden
Dresden. Da konnte einem schon schwindlig werden angesichts der Hürden, die vor mehr als 20 Jahren genommen werden mussten, bevor am 1. Advent 2001 das neue Ökumenische Seelsorgezentrum in der Dresdner Uniklinik eingeweiht werden konnte. Peter Brinker (s. Foto rechts), seit 1995 im Auftrag des Bistums Dresden-Meißen Krankenhausseelsorger vor Ort, hatte für den 27. Oktober 2021 diejenigen, die in den 1990er Jahren die Entstehung dieses Baus begleitet und gefördert hatten, eingeladen - nicht zuletzt, um die Erinnerungen der anwesenden Protagonisten aufzuzeichnen. In dem früheren Rektor der TU Dresden, Prof. Joachim Mehlhorn, hatte Brinker einen kompetenten Moderator gefunden. Er zollte den an der Planung und dem Bau Beteiligten "großen Respekt für ihre Arbeit und ihren Einsatz damals".
Angefangen hatte alles mit der Zerstörung der früheren "Anstaltskirche" auf dem Gelände des damaligen Krankenhauses Johannstadt im Zweiten Weltkrieg. Jene Kirche war am 1. Advent 1901 eingeweiht worden. Diakonissen betreuten die Kranken nicht nur pflegerisch, sondern auch seelsorgerisch und waren daher auch für die Kirche zuständig, wusste Pfarrer i.R. Nikolaus Krause (s. Foto rechts). Sein katholischer Kollege, Pfarrer i.R. Alfred Bock (s. Foto links), von 1984 bis 2015 Krankenhausseelsorger, erinnerte an die schwierigen Umstände, unter denen die Seelsorge in Kliniken damals stattfinden musste: Es gab für ihn keine Möglichkeit, in einer Kapelle Gottesdienst zu feiern, keinen Rückzugsraum für persönliche Gespräche mit Patienten usw. - Allerdings, ergänzte Brinker, gab es zwar einen Raum der Stille, aber dieser befand sich in der oberen Etage eines Altbaus ohne Aufzug; Gottesdienst wurde im Warteraum der Patientenaufnahme gefeiert.
Im Jahr 1997 entstand die Idee, ein Gebäude für die Seelsorge am Klinikum zu errichten. Die Anregung dazu kam von der damaligen Leitung des Dresdner Universitätsklinikums: dem Ärztlichen Direktor Prof. Manfred Wirth, dem Verwaltungsdirektor Dr. Jörg Blattmann (s. Foto rechts) sowie dem Dekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Thomas Herrmann (s. Foto unten, zusammen mit Bischof em. Joachim Reinelt). Ein ökumenisch besetzter Verein wurde gegründet, der sich der Aufgabe widmete, mit Spenden und enormer finanzieller Unterstützung durch die Kirchen und die Klinikverwaltung ein ökumenisches Seelsorgezentrum zu finanzieren und den Bau auf den Weg zu bringen. Da nach dem Abriss der zerstörten Krankenhauskirche die entsprechende Fläche unbebaut geblieben war, konnte der Neubau sogar auf den Fundamenten der früheren Krankenhauskirche errichtet werden.
"Es war die Zeit, in der mehr möglich war als zu DDR-Zeiten", betonte Joachim Reinelt, emeritierter Bischof des Bistums Dresden-Meißen. Er sei von der Idee begeistert gewesen, denn "der Mensch steht nicht nur als Maschine oder intelligente Apparatur vor den Medizinern, sondern als Mensch". Die Ökumene sei damals selbstverständlich gewesen. Der ebenfalls emeritierte sächsische Landesbischof Volker Kreß hingegen erinnert sich an seine anfängliche Verhaltenheit, weil er nicht in erster Linie für die Finanzen der Landeskirche zuständig war.
Hans Geisler (s. Foto rechts), von 1990 bis 2002 sächsischer Finanzminister, erinnerte an die Aufbrüche in der damaligen Zeit. In jedem der zehn Krankenhäuser, die in Sachsen gebaut wurden, wurde ein Raum der Stille mit eingeplant.
Von der Realisierung der Pläne und den zu überwindenden Hürden erzählten Peter Goepel (s. Foto unten), der damals die Bauleitung innehatte und zugleich Kanzler des Klinikums war, und Dr. Jörg Blattmann, der im Förderverein für die Finanzen zuständig und zugleich Geschäftsführer des Uniklinikums war, lebhaft. Auf die Ausschreibung hin - zuvor hatten sich bereits Architekturstudenten der TU Dresden mit dem Vorhaben beschäftigt - waren etwa 100 Vorschläge eingereicht worden. Ausgewählt wurde der Entwurf des Büros "Kister, Scheidhauer & Groß" mit Sitz in Dessau und Köln, in dem die schneckenförmige Form unter Verwendung seltener Materialien vorgeschlagen wurde. Die ausführenden Baufirmen stammten aus der Region.
Der frühere Krankenhausseelsorger Nikolaus Krause erklärte die Bedeutung dieser Schneckenform so: Diese "Schnecke" vermittelt Geborgenheit und lädt ein, sich zurückzuziehen. "Man kommt anders heraus, als man hineingegangen ist, und dreht sich nicht um sich selber. Man kommt heraus mit einer Stille, die auch jenen hilft, denen man begegnet", so Krause.
Der derzeitige evangelische Krankenhausseelsorger Michael Leonhardi (s. Foto unten, r.) empfindet das Gebäude als von sich ausstrahlend: "In der heutigen Zerrissenheit mahnt es, innezuhalten. Denn als Krankenhausseelsorger halten wir an und halten wir aus. Das ist schwer und muss geschützt werden." Seine Kollegin Katrin Wunderwald (s. Foto unten, 2. v.r.) pflichtete ihm bei: "Die Kapelle ist wie eine Höhle, ein bergender Raum, ein Rückzugsort, an dem man sich weider sammeln. Dieser Ort hat zugleich eine eigene Lebendigkeit." Sie sei fasziniert, wie viele Menschen in die Kapelle gehen, eine Kerze anzünden oder ein Anliegen aufschreiben.
Ähnlich erfährt es der katholische Krankenhauspfarrer Christoph Behrens (s. Foto rechts, 2. v.l.): "Im Land müssen viele Kirchen aufgegeben werden, aber hier ist es anders: Hier schauen Menschen rein, die hier eine Botschaft finden." Für ihn persönlich sei die Kapelle der Ausgangspunkt für seine Arbeit. - Peter Brinker betonte die Bedeutung des Gebäudes für die Seelsorge: Es vermittle Geborgenheit.
Weitere Jubiläumsveranstaltungen im Ökumenischen Seelsorgezentrum:
Unter dem Titel "Zwischen Euphorie und Weltschmerz - Wer sorgt für die Seele" diskutieren am 10. November 2021 ab 17 Uhr Gwendolin Wanderer (Frankfurt a.M.), PD Dr. med. Thomas Reuster (Görlitz), Heike Liebsch (Dresden) und Iris David (Dresden) "Fragen zu seelischer Erkrankung und Ethik in der Psychiatrie".
Am 1. Advent 2021 wird das 20-jährige Bestehen des Ökumenischen Seelsorgezentrums mit einem ökumenischen Gottesdienst gefeiert.
Fotos + Text: Elisabeth Meuser