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Bistum Dresden Meissen
"Weihnachten lädt uns ein, neu hinzusehen: auf das Leben, auf die Verletzlichkeit und die Chancen, die darin liegen", sagt Bischof Heinrich in seiner Weihnachtsbotschaft. © Christian Juppe
24. Dezember 2024

"Liebe und Hingabe haben die Kraft, die Welt zu verwandeln"

Weihnachtsbotschaft 2024 von Heinrich Timmerevers, Bischof von Dresden-Meißen

„Unsere Welt hat sich verändert.“ So oder ähnlich erzählen mir junge Familien von dem Moment, indem sie ihr Neugeborenes das erste Mal in den Arm nehmen. Es sind berührende Momente, in denen sich viele Eltern von einer unfassbaren Liebe und Verantwortung für dieses kleine, zerbrechliche Leben erfüllen lassen. Die Welt steht Kopf, und alles wird neu: Die Prioritäten verschieben sich, und mit dem Kind zieht ein tiefer Sinn ins Leben ein.

An Weihnachten feiern wir genau das: Gott, der in einem Kind Mensch wird und die Welt verändert. Er zeigt uns, dass wahre Größe nicht in Macht, Reichtum oder Einfluss liegt, sondern in der Hingabe und der Liebe. Im Stall von Betlehem stehen nicht Stärke und Herrschaft im Mittelpunkt, sondern das Zerbrechliche, das Schutzbedürftige. Gottes Entscheidung, sich auf Stroh betten zu lassen und in der Armut zu leben, ist eine Botschaft an uns alle: Er will uns nahe sein, besonders in unseren Schwächen und Nöten. Denn Liebe und Hingabe haben die Kraft, die Welt zu verwandeln.

Hinsehen

Diese Botschaft macht mir Mut, nicht wegzuschauen angesichts von fast alltäglich gewordenen Kriegs- und Krisenmeldungen. Berührt werden wir besonders, wenn wir spüren, dass die Not ganz unmittelbar, fast vor unserer Haustür ist. Der furchtbare Anschlag von Magdeburg reiht sich in eine Zeit multipler Krisen ein als ein trauriger Tiefpunkt und eine abgründige Tragödie. Wir müssen es in diesen Tagen aushalten, dass diese schreckliche Tat, dass Tod, Schmerz und Leid einen dunklen Schatten über das sonst so lichtvolle Weihnachtsfest ausbreiten. Es fällt dieses Jahr schwer, die Botschaft des Friedens und der Hoffnung vom Stall in Betlehem zu verkünden. Trost und Halt schenkt mir, dass sich Gott selbst in diese Welt mit all ihren Abgründen hineingibt und uns gerade in den Dunkelheiten dieser Welt nahe sein will.

Papst Franziskus lädt uns mit dem Beginn des Heiligen Jahres 2025 ein, „Pilgerinnen und Pilger der Hoffnung“ zu sein. Das bedeutet für mich: Das Gute in der Welt wahrzunehmen und das zu bestärken, was zum Leben führt. Hoffnung ist oft zart und verletzlich, wie ein Kind in der Krippe oder wie neues Leben im Bauch einer Mutter. Aber gerade deswegen braucht sie unseren Schutz und unser Engagement.

Pilger zu sein, heißt loszulaufen, Vertrautes hinter sich zu lassen und bereit zu sein für Mühen und Herausforderungen. Das kann ein klassischer Pilgerweg sein, aber auch ein innerer Weg – im Alltag, in der Routine oder in unseren Denkmustern. Weihnachten erinnert uns daran, dass der Weg der Hoffnung oft klein beginnt, aber Großes bewirken kann.

Das Kind in der Krippe im Blick

Mit diesem Blick auf das Kind in der Krippe sehe ich auch die Anfänge menschlichen Lebens mit einer tiefen Ehrfurcht. Die aktuelle Diskussion um eine mögliche Veränderung des Paragrafen 218 bewegt mich deshalb besonders. Ich frage mich: Haben wir den Wert des Lebens und den Wert der freien Entscheidung genügend bedacht? Haben wir ausreichend diskutiert, wie Recht auf Leben des Kindes und Recht der Schwangeren auf Selbstbestimmung miteinander vereinbar sind? Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, einen mühsam errungenen Kompromiss leichtfertig aufs Spiel zu setzen? Es braucht einen breiten und offenen gesellschaftlichen Diskurs jenseits von Parteiinteressen, wenn wir unserer Verantwortung angesichts der verhandelten Werte und Rechte ernsthaft nachkommen wollen. Schnellschüsse werden der Tiefe dieses Themas nicht gerecht – und erst recht nicht dem Leben, um das es geht.

Weihnachten lädt uns ein, neu hinzusehen: auf das Leben, auf die Verletzlichkeit und die Chancen, die darin liegen. Lassen wir uns von dieser Botschaft der Hoffnung anstecken – für uns selbst, für unsere Gesellschaft und für die Welt.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein gesegnetes Weihnachtsfest und Mut, Pilgerinnen und Pilger der Hoffnung zu sein.

+ Heinrich Timmerevers, Bischof von Dresden-Meißen