Zu Halloween: Hexen zwischen Faszination und Verfolgung
Experte Prof. Dr. Marco Frenschkowski zu Gast im Podcast „Mit Herz und Haltung“
Dresden. „Wie wird aus der bösen Hexe die gute Hexe?“ Kurz vor Halloween, wenn sich wieder Hexen, Geister und Gruselfiguren tummeln, blickt der Leipziger Theologe und Religionswissenschaftler Prof. Dr. Marco Frenschkowski im Bildungspodcast „Mit Herz und Haltung“ der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen und der Herder-Korrespondenz auf die Kulturgeschichte der Hexen. Er räumt mit zahlreichen modernen Legenden rund um dieses „in hohem Maße klischeebesetzte Thema“ auf, das in den letzten Jahrzehnten zu einem Haupttopos der Kulturwissenschaften avanciert ist.
Hexen und Magie seien schon „immer ein faszinierendes Thema gewesen“ und blieben dies „auch heute und vor allem da, wo Menschen gar nicht unbedingt daran glauben.“ Während Hexen lange Zeit als existentielle Bedrohung wahrgenommen wurden, sei Ende des 19. Jahrhunderts das „Hexenparadigma [ge]kippt“ und die „Hexe […] sozusagen zur ersten emanzipierten Frau“ uminterpretiert worden, so der an der Universität Leipzig lehrende Wissenschaftler. Die gegenwärtige Faszination für die Figur der Hexe als kulturelles „Imaginarium“ speise sich aus den unterschiedlichsten Quellen. Neben einer „Allmachts-Fantasie“ und der Rolle von „alten Tabu-Themen“ würden Hexen oftmals als eine „Identifikationsfigur für das Andere, das Fremde“ und nicht zuletzt auch als Vorbild „für Frauen, die verschollene Facetten des Weiblichen wiederentdecken“, betrachtet.
Globales Phänomen
Ein „naturmystischen Zug“ sei, vor allem in der neomagischen Religion der „Wicca“, welche sich im Großbritannien der Nachkriegszeit herausbildete, ebenfalls nicht zu unterschätzen. Kulturgeschichte könne der Glaube an die Existenz von Hexen dabei nicht als eine „christliche Erfindung“ gelten, auch wenn es Referenzen in den biblischen Texten gebe. Vielmehr sei die Vorstellung von Magie als etwas Alltägliches in der Antike insgesamt weit verbreitet gewesen: „In allen gesellschaftlichen Schichten, auch in der Oberschicht gab es einen lebendigen Glauben an Magie“, berichtet Prof. Dr. Frenschkowski. Genauso habe es bereits durch antike Autoren aber Kritik an einem solchen Aberglauben gegeben. Zudem müssten der Glaube an Hexerei und Hexenverfolgungen als ein „globales Phänomen“ angesehen werden, so der Religionswissenschaftler.
Weniger als die Religion oder Konfession sei in der Forschung zwischenzeitlich die fehlende Rechtsstaatlichkeit oder eine zu schwache Ausprägung des staatlichen Gewaltmonopols als Hintergrund für Verfolgungen ausgemacht worden. Insofern komme es – angesichts auch in der Gegenwart anhaltender Lynchmorde in Afrika oder Lateinamerika – neben Bildung auch auf die Stärkung rechtsstaatlicher Strukturen in den Staaten an, in denen noch immer der Hexenwahn grassiert, gegen den sich u.a. das kirchliche Hilfswerk missio Aachen engagiert. Der Glaube an eine Bedrohung durch Hexerei müsse christlicherseits nicht zuletzt auch theologisch zurückgewiesen werden: Denn entscheidend sei „das Wissen, dass es stärkere Mächte als das Böse gibt, auch dort wo man an die Realität von bösen Mächten oder Kräften glaubt“. So dürften Christinnen und Christen doch „aus der Auffassung leben, dass diese Mächte nicht das letzte Wort haben werden und dass ihre Macht gebrochen ist.“ Mit Blick auf gegenwärtige Diskurse in westlichen Staaten macht Prof. Dr. Frenschkowski im Gespräch zuletzt Parallelen zwischen dem Hexenglauben früherer Jahrhunderte und gegenwärtiger Verschwörungsgläubigkeit aus, welche er als fatale menschliche Tendenz bis in die Antike zurückführt.
Die vollständige Episode des Podcasts ist ab sofort unter www.lebendig-akademisch.de/podcast und in allen gängigen Podcast-Playern wie Spotify, YouTube oder Apple Podcasts abrufbar.